Abba in der Mitte der Welt

Abba-Museum in Stockholm eröffnet

THOMAS STEINFELD

Die Band Abba war zwischen 1972 bis 1982 eine der beliebtesten Popgruppen der Welt. Sie wurde so erfolgreich wie Led Zeppelin oder Queen, und sie ist es noch. An der Zahl der verkauften Schallplatten gemessen, ist sie deutlich erfolgreicher als die Rolling Stones oder AC/DC.

Benny Andersson, der Pianist von Abba, kommt aus einer in den Fünfzigerjahren entstandenen Trabantenstadt von Stockholm; Björn Ulvaeus, der Gitarrist, stammt aus Västervik im Osten Smålands, Agneta Fältskog aus Jönköping und Anni-Frid Lyngstad, in Norwegen geboren, wuchs auf in kleineren Gemeinden am Westufer des Mälaren.

Auf der Insel Djurgården mitten in Stockholm, gleich hinter dem Nationalmuseum und vor dem Vergnügungspark Gröna Lund, eröffnete am Dienstag, 7. Mai 2013 das Abba-Museum. In dessen erstem Saal steht ein „Folkets Park“ (Volkspark), wie überall in Schweden, entstanden aus der Arbeiterbewegung, zumeist getragen von Bürgervereinen, über Jahrzehnte hinweg eine Einrichtung für bescheidene, allgemein zugängliche sommerliche Tanzvergnügungen – und ein Zentralort der Sozialisation junger Schweden, im Guten wie im Bösen.

Bis heute verläuft die Karriere der meisten Ensembles der populären Musik in den nordischen Ländern durch dieses offene Gelände. Auch Abba ist durch die kleinen Städte gezogen, bevor die Band an sechs Tagen hintereinander die Wembley Arena füllte und, 1972 gegründet, eine Art Super Group des schwedischen Musikantentums geworden war.

Abbas Eigenheiten, für die sie weltberühmt wurden, sind Verkleidungen, exakte Choreographie, musikalische Professionalität und Entschlossenheit zu meist gut gelaunter Unterhaltung. Diesem Willen zum Stil liegt gewiss auch eine große Bewunderung für die angelsächsischen Vorbilder zugrunde, weniger der Rockmusik als vielmehr des internationalen Volkslieds.

Björn Ulvaeus, ein kleiner, freundlicher älterer Herr, der bei der Eröffnung des Museums als Zeuge seiner eigenen Echtheit auftritt, erklärt, dieser Eklektizismus verdanke sich dem schwedischen Rundfunk: Der einzige Kanal, den es damals gab, spielte alles, nur keinen Blues oder Country.

Das seltsame Auseinander von Text und Musik so vieler Lieder von Abba – die Verse sprechen von Verlust, Trennung und Alleinsein, die Melodien hüpfen fröhlich davon – Momente solch bittersüßen Trotzes sind in sich schon ein Dokument des Willens zur Form und tragen ebenso zur ungebrochenen Beliebtheit der Band bei einem homosexuellen Publikum bei wie die Kostüme, die an Gesäß und Geschlecht hautengen Pluderhosen, die pastellfarbenen Monteursanzüge und glitzernden Stiefel mit den Plateausohlen.

Abba nahm 1974 am europäischen Schlagerwettbewerb in Brighton teil, weil ihre Musik sonst in Großbritannien nicht gehört worden wäre. Sie gewannen durch ihre schiere Energie, die technischen Fertigkeiten der Sängerinnen, die Reinheit der Stimmen, die exakte Intonation, das feine Nebeneinander von Sopran und Mezzo, die Unbefangenheit und die Kraft, mit der sie ihre Stücke vortrugen.

In Schweden wurde Abba kritisiert als kommerziell. Abbas Kindermusik für Erwachsene fuhr jedoch in Wahrheit die Verschwitztheit, Aggressivität und Sexualität des us-amerikanischen Disco herunter zur Sozialverträglichkeit, übertrug sogar die erotische Zweideutigkeit des Genres auf familienfreundliche Verhältnisse. So können sich erwachsene Menschen darüber verständigen, was nach der Euphorie kommt.

Hunderte von Menschen vor der Museumseröffnung singen die alten Lieder, es sind ihre. Abba mag ein Produkt der schwedischen Kleinstadt am Rande Europas gewesen sein, ihre Musik ist immer noch da und immer noch lebendig. Die Kompilation „Gold“ von 1992 ist ihr erfolgreichstes Album.

Der Grund für den nicht nachlassenden Erfolg von Abba, liegt er etwa im Kollabieren der Distanzen in Raum und Zeit und zwischen den Menschen? Immerhin, unübersehbar und seit geraumer Zeit, liegt Gamleby Folkets Park nun schon in der Mitte der Welt.


aus:
Hohelied des Samstagabends
In Stockholm hat gerade das Abba-Museum eröffnet. Das feiert nicht nur den Welterfolg der Band, sondern auch ihre Wurzeln in der schwedischen Provinz

von THOMAS STEINFELD
Süddeutsche Zeitung, 8. Mai 2013


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