Rock-Neuigkeiten, als Konsumterror getarnte Lebenshilfe

Platten, die Freudentränen aus den Ohren treiben

Existenzieller hat heuer keine geklungen


Exzerpt eines Artikels von KARL BRUCKMAIER


Es gibt sie noch, die guten Dinge. Verkauft werden sie in Toplagen deutscher Innenstädte über einen Katalog, der dem gebildeten Best bis Very Best Ager heute das ist, was ihm zu Studentenzeiten das Merkheft von 2001 war: Als Konsumterror getarnte Lebenshilfe.

Ganz hinten in diesen Läden, im Halbdunkel, wo Ramsch die höheren Weihen des Klassikers erhalten, da sind Sie bei mir richtig.

Da empfehle ich Ihnen Musik, die idealerweise von zwei Gitarren, einem Bass und einem Schlagzeug gemacht wird, „Rock“. Wer die heute noch hört, war nicht leichtgläubig genug, sich vom aktuellen Pop-Diskursgeschehen geistig einlullen und behindern zu lassen. Der „weiß“ auch, dass das, was von fünf Jahrzehnten genüsslich erlebtem Hörsturz geblieben ist, längst nicht alles ist.

Hier sind sie, die Tonträger, die für die Verbesserung Mitteleuropas so notwendig sind wie mundbemalte Linkshänder Gabeln aus Ebenholz, viel schlimmer, so wie sie sein müssen,"einen Moment lang zauberhaft schön":

Ian Hunter, „When I’m President“ (Proper),
schon vor vierzig Jahren der “neue Dylan”, der “bessere Jagger”, heute möchte man ihn als deren bestmögliche Fälschung eintauschen

Hugh Cornwell, „Totem And Taboo“ (Cadiz),
mit seinen “Stranglers” vom Rock zum Punk, hat wieder zu einer so klaren, tiefen, federnd leichten, von innen heraus strahlenden Rockmusik gefunden, dass es „mir Freudentränen aus den Ohren“ treibt.

James Chance, “Incorrigible” (LADTK),
Junkie-Weisheiten rocken und blöken, wie es sich für einen Springsteen des Nihilismus gehört.

Dan Stuart, “The Deliverance Of Marlowe Buillings” (Cadiz),
Ex-“Green On Red” (Chris Cacavas, Chuck Prophet), ruhiges und solides Lebenszeichen.

Nick Lowe, “Lowe Country” (Fiesta/Yep Roc),
die country-lastige Tribut-Platte zeigt, dass heute eine junge, feinste Garde noch weiß, wie Country klingt.

Jason Collett, “Reckon” (Arts & Craft),
Kanada, gediegen zornige Dagegen-Platte, auf der die Finanzkrise durch Banküberfälle gelöst wird.

Iris DeMent, “Sing The Delta” (Flariella),
unfassbare inbrünstig, langsam walzend vorgetragene Texte, ohne kleinste Zugeständnisse bei Arrangements, Texten und Marketing. „Existenzieller hat heuer keine Platte geklungen.“


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DAS DRECKIGE DUTZEND
Handgeschöpft

Auch Rockplatten gehören jetzt zu den guten Dingen

Von KARL BRUCKMAIER
Süddeutsche Zeitzung, 10. November 2012


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