THE CREAM OF SCOTLAND -3-

Vom Schottischen Goldrausch
zu Applecross Peninsula

Mittwoch, 2009-08-05


Vom Gold- zum Bilder-Rausch: Applecross Passhöhe, Blick auf die Cuillins, Isle of Skye im Regenschauer.
Klick auf das Bild bringt zur Galerie dieses Tages.

Von Embo zurück zur A 9 und weiter entlang der Nordseeküste, Richtung Ost-Nord-Ost, bis Helmsdale. Im kleinen Hafen liegen nur ein paar Segler. Daher bietet er nicht so viel Postkarten Idylle wie bei diesem herrlichen Wetter möglich wäre. Weiter auf der A 897, links ab ins Binnenland, parallel zu Helmsdale River.

Gut fünfzehn Kilometer weiter, nach einer scharfen Linkskurve, eine kleine alte Brücke über einen Nebenbach des Helmsdale River: Da ist das Informationshäuschen zum Goldrausch in Schottland von 1869 bis 1870, eben hier bei Kildonan. Ein paar Goldsucher 2009 parken hier ihre high tech Kutschen, schaufeln im Bachbett und wiegen und kreisen ihre Goldpfannen, und wir schauen ihnen dabei zu. Von wegen, nur ein knappes Jahr schottischer Goldrausch im vorletzten Jahrhundert. The Beat Goes On. Wonderfull.

Einen Kilometer weiter, hinter Kildonan Lodge, links ab und zurück, auf die andere, rechte Seite von Helmsdale River, auf einer sparsamst befahrenen Single Track Road, hinein in die hügelige bis bergige, unbewohnte Landschaft, eine Abkürzung zurück nach Lothbeg, zur A 9 und auf der weiter zurück Richtung Inverness. In "The Mound" nach rechts auf die A 839, erneut ins Landesinnere und schließlich in Rosehall zum Waterloo für eine, summa summarum, für den gesamten Scotland-Trip-2009, bestens mit Internet-Ausdrucken vorbereitete female copilot Elke und ihren Black-Out: "Hier steht links, also wird nach links abgebogen!" Na ja, die Länge dieser „Tour de links“ entsprach dann wohl auch in etwa dem level des virtuellen Selbstvertrauens der dafür Verantwortlichen... Stunden später...: "Wir müssen wohl zurück." Aye, aye, mistress. Zurück also nach Rosehall und dann rechts, bzw. nun gerade aus.

Vor "Loch Borralan" ein schöner Blick auf diesen überraschenden See in flacher Landschaftsschüssel vor kontrastierenden krassen Berggestalten, auch im Englischen "Inselbergs" genannt, am Horizont. Besonders Suilven, "The Sugar Loaf", sagenhaft. Bei Ledmore dann nach links auf die A 835 und nach mehreren Kamera Pausen in beeindruckenden Highland Szenerien mit ungewöhnlich lindgrünen Weiden, was auf den hier vorherrschenden Kalkstein zurückzuführen sein soll.

Cul Mor, ein stacheliger Kalksteinbrocken vor den Resten der Historischen Straße nach Ullapool hinter mir.

Schließlich ein Stop oberhalb von Ullapool mit Blick auf diesen malerisch gelegenen Ort und seinen Hafen am Loch Broom, mit der Anlegestelle der Fähre nach Stornaway auf der Isle of Harris, einer der Äußeren Hebriden.

Die ursprünglich geplante, sicher äußerst reizvolle Route über die Küstenstraße, nach Ende von Loch Broom rechts über die A 832, fällt dem fortgeschrittenen Tag zum Opfer und bleibt damit ein Projekt für künftige Schottlandbesuche. Der Weg, weiter über die A 835 Richtung Inverness, in Gorstan nach rechts auf die A 832, versprach und hielt schließlich auch eine rechtzeitigere Annäherung an den ungeduldig und fast ängstlich erwarteten Applecross Pass. In Achnasheen links ab auf die A 890, die am Ende (oder für uns: Anfang) von Loch Carron zur A 896 wird, um sich am Ende von Loch Kishorn nach Norden zu wenden, wo sie das Ende oder der Anfang der Küstenstraße um Applecross Peninsula (Halbinsel) wird und uns in Tornapress im rechten Winkel nach links, auf die Abzweigung zum berühmt berüchtigten Applecross Pass entlässt.

Die von hier an gebotene Erlebnisdusche gibt reichlich, von heiß bis kalt. Auf jeden Fall sei sie keinem Lenker eines vierrädrigen Fahrzeuges empfohlen, der noch das Anfahren am Berg üben muss. Äußerst beeindruckend für mein Hasenherz bereits die Annäherung an ein enges, steiles Tal, hinauf am Rand des Loch Kishorn, im Angesicht eines weit und ungehindert zum Meer hinab fallenden(!) Blickes. Eine kleine Parkbucht, also mehr als ein Passing Point (punktuelle Verbreiterung der Straße als Ausweich Möglichkeit bei Gegenverkehr) dieser alpinen Single Track (einspurige) „Road“, noch im unteren Teil des Tales gestattet eine Filmpause bei kräftigst zerrendem und das Wasser des Baches in Gischtfontänen talaufwärts peitschenden Windes mit grandiosen Felswänden dahinter. Ein doch unerwartet starker Verkehr auf dieser Strecke. Als Zugabe und Sahnehäubchen warten einige wahrhaft urwüchsig alpine und steile Spitzkehren, mit Höhengewinn von stellenweise über 20 Metern auf Einhundert Meter Straßenlänge, bis schließlich ein Parkplatz auf dem höchsten Punkt des Passes einen tollen Filmblick über die Isles of Scalpay und Raasey hinweg auf die Isle of Skye und die Cuillins in den nach wie vor heftigst böigen Westwind hinein schenkt. Die Abfahrt hinunter nach Applecross gerät immer noch adrenalinträchtig genug, aber doch weit weniger stressig als an der anderen Seite hinauf. Ein absolutes Spitzenerlebnis, nach dem ich jedoch nicht süchtig geworden bin. Muss nicht jeden Tag zweimal sein.

Ankunft und mein Versuch, in "Applecross Inn", dem ersten in einer Zeile von Häusern an der Shore Street, genannt Applecross, einzukehren, wird von Logistikerin Elke kurz abgebügelt: "Wir suchen erst unser B&B. Danach können wir immer noch in den Pub gehen". Auch wenn ich sauer war, sie sollte mehr als einfach Recht bekommen. Nach Culdui hinunter, ein kleiner, dennoch leibhaftiger "Blind Slope" (eine Straße, die so steil nach oben führt, dass man nichts weiter als Himmel sieht, bis zu dem kurzen Moment, wo der höchste Punkt erreicht ist und es dann ebenso abrupt und steil wieder abwärts geht, wie man mutig oder besser tollkühn genug war, auf dem Gas zu bleiben, ohne die Bohne Ahnung zu haben, was einen in diesem Moment erwarten könnte,... Hühner, Schafe, Ele...), Juhu.

Culdui erreicht - eigentlich nur eine Häuserzeile, noch weit kürzer als die von Applecross - und eine leicht gebeugte Gestalt mit verschmitztem Gesicht und rotem Kittel auf einem eingezäunten Acker antwortet auf das Rufen, „I’m looking for Mary Jolie!“: „That’s me!“ Eine wahrhaft beeindruckende Frau in einem zauberhaften Haus in einer sagenhaften Umgebung: Noch stiller als im Hohen Westerwald, ständig wechselnde Wetterbilder, heute mit einer drohenden Regenwand über den Cuillins, Zugrichtung Ost, also Applecross Peninsula, genau auf uns zu. Mary, mit einem Franzosen verheiratet, der für eine Versicherung weltweite Rückführungen organisiert und durchführt, empfiehlt uns an Stelle von Applecross Inn (O-Ton: Massenabfütterung), an diesem vorbei Richtung "Applecross House" (der örtliche Adelssitz), in „The Walled Garden“, einen feinen, kleinen Eßtempel, "The Potting Shed - Cafe & Restaurant". Junge Leute haben es im und aus dem Wirtschaftsgebäude des ehemals fürstlichen, ca. 65 mal 75 m großen, von einer drei bis vier Meter hohen Mauer umzogenen Nutz-Gartens des Schlosses aufgebaut. Der beeindruckende Garten, ursprünglich von sechs Gärtnern bewirtschaftet, wurde von den Residenten des Applecross House aufgegeben und der Natur überlassen, ver“wild“erte, bis die Walled Garden Macher ihn seit 2001 in Gestalt eines blühenden, ökologisch bewirtschafteten Zier- und Nutz-Gartens zu neuem Leben erweckten. Very well done!

Elkes Recht #1:
Mit Ankunft vor Walled Garden fallen die ersten dicken Tropfen, und nach einem Sprint durch den Garten ins Restaurant bricht der Himmel auf, es regnet in Strömen. Wir bestellen und genießen einen super leckeren Fisch, Haddock (Hi, Capitaine Archibald Haddock), Schellfisch (Melanogrammus aeglefinus) und bemerken –
Elkes Recht #2:
Die Installation einer kleinen Bühne. Die wird dann auch nicht viel später durch drei Herren mittleren Alters besiedelt. Ein Fiddler und Geigen-Lehrer, wohl international gefragt, mit einem Gitarristen und Bouzouki spielenden Sänger und einem auch Bodhran (irische Rahmentrommel) bedienender Wistler (Flötist), kredenzen uns traditionelle schottische Musik, höchster, in meinen Ohren, klassischer Perfektion.

Allerdings, auch nach dem Live Genuss und trotz des Erwerbs seiner neuen CD, werde ich sicher nicht süchtig nach Alistair McCullochs Musik werden. Dafür muss man wohl ein wahrer, nicht zuletzt genetisch geprägter Fään dieser mitreißenden, hohen und prasselnden Tonkaskaden sein.

Mit einem derart schönen, geschenkten Erlebnis ging es hinaus in die inzwischen wieder trockene Nacht. Über einen stimmungsvollen Fotostop in Miltown, der nächsten Hand voll Häuschen hinter Applecross, ging es zurück zu Mary Jolie nach Culdui, ihrer Katze und ihren zwei Hunden. Die gute Nacht im Bett upstairs, Cuillin Blick am Morgen in einer nur fein von unaufgeregtem Schafsgeschwätz durchklungenen, traumhaften Kulisse sind die Ouvertüre für eines der schmackhaftesten Breakfasts, die wir je in Schottland oder sonst wo in Great Britain bisher genießen durften. Hausgemachte Gelees und Marmeladen, oberleckerer gebratener Black Pudding (so was Ähnliches wie Panhas oder Blutwurst mit Buchweizen?!), selbst gemachtes Brot (eine wahrhafte Offenbarung für GB!) und dazu Kräuter, frisch aus dem Garten, ... fit for a king. Sogar Kings House müsste sich heftigst strecken.

Alle Achtung und grand mercie, Madame Mary Jolie! Wenn’s nach mir geht, Applecross Peninsula 2009, das war nicht das letzte Mal.

Elke & Karlheinz


nach oben

zu THE CREAM OF SCOTLAND