Keith Emerson

Alles was ich will, ist Musik machen

* 2. November 1944, Todmorden, West Yorkshire, England
† 10. März 2016, Santa Monica, California, U.S.


- Lucky Man
Emerson, Lake & Palmer

- Lucky Man
Keith Ermerson Band

- Lucky Man
ELP, Royal Albert Hall

- America
The Nice, Live im Britischen TV, 1968

- Hang On To A Dream
The Nice, Beat Club, 25.10.1969

- Brandenburger
The Nice, Live 1969

- Fanfare For The Common Man
ELP, Tollwood 24. Juni 1997


- Keith Emersons Internetseite

- Keith Emerson auf Wikipedia

- Der Rockpionier Keith Emerson
Süddeutsche Zeitung, 14. März 2016
von VOLKER BREIDECKER

- Der Hendrix an der Hammond
Neue Züricher Zeitung,
12.3.2016, 11:14 Uhr
von ERIC FACON


Der Rockpionier Keith Emerson ist tot

Süddeutsche Zeitung, 14. März 2016
von VOLKER BREIDECKER


Dem Knaben Keith wurde erzählt, seine Mutter habe ihn unter einem Felsbrocken aufgelesen. Das muss im November 1944 in Yorkshire gewesen  sein, wohin die Schwangere kriegsbedingt aus London evakuiert worden war. Die zweite Geburt des klassisch geschulten Pianisten geschah Mitte der Sechzigerjahre im Londoner Marquee Club. Unter dem Patronat der Blueslegende T-Bone Walker debütierte dort neben den Yardbirds die Gruppe Gary Farr and the T-Bones – mit dem Performancekünstler Keith Emerson an der Hammond-Orgel.

Damals kam auch die Soulsängerin P. P. Arnold nach London, die eine vierköpfige Gruppe junger Musiker namens The Nice um sich scharte: Geboren war die Heroen- und zweite Pionierzeit der Rockmusik mit ihren Supergroups, und Keith Emerson war ihr Prophet: „Morgen ist die Geschichte von Gestern“, verkündete er im Begleittext zu „Ars Longa Vita Brevis“. Es war das Programm einer genialen(?), so nie da gewesenen(!) Fusion von Rock (minus Pop), Jazz, Blues und Folk mit klassischer wie moderner elektronischer Musik.

1968 kam die zweite Studio-LP der Gruppe, die nach ihrem Debüt mit dem Album „The Thoughts Of Emerlist Davjack“ zum Trio mutierte. „Emerlist Davjack“ war das Anagramm für die Namen der vier Musiker: Keith Emerson an Piano und Orgel, Dave O’List an der Gitarre, Brian Davison am Schlagzeug und Lee Jackson am Bass. Mit O’Lists Ausscheiden wurde Emerson zum Solisten an Piano, Hammond-Orgel und – noch eine Revolution – an den ersten Synthesizern der Rockgeschichte.

Jetzt wurde interpretiert (Bach), re-interpretiert (Grieg), gecovert (Dylan), improvisiert (kaum je unter Zehnminutenlänge) und re-improvisiert (Eigenes), bis alle Klänge unter Emersons zuweilen mit durch Messer verlängerten Fingern zu infernalischen E-Aventüren aufbrachen, aus denen er mühelos wieder zum tänzerischen Spiel zurückfand. Auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs brachte Emerson seine furiose Coverversion von Leonard Bernsteins Musicalsongs „America“ auf die Bühne der Royal Albert Hall und setzte dazu die amerikanische Flagge in Brand. Dafür erhielt er Hausverbot.

Danach klang alles langsam aus: „Nice“ von 1969, die dritte LP, war Retro(wassndass?) in eigener Sache, „Five Bridges“ (1970) war symphonische Dichtung, gestützt auf ein großes Orchester, bevor unter dem Titel „Elegy“ (1971) die im Vorjahr aufgelöste Band ihr Denkmal hinterließ, darauf das traumselige „Hang On To A Dream“. Der Tastenzauberer war da schon in neuer Besetzung als Emerson, Lake and Palmer (ELP) auf Wlttour und ließ auf dem Isle of Wight Festival von 1970 unter Mussorgsky/Ravel „Großem Tor von Kiew“ mit Kanonen feuern. Ursprünglich hätte die neue Band HELP heißen sollen, mit Jimi Hendrix an der Gitarre, doch war der gerade gestorben. Was ELP mit Alben wie „Tarkus“ (1971) „Pictures At An Exhibition“ (1971) und „Trilogy“ (1972) große Welterfolge einfahren ließ, verdankten sie auch Emersons Performancekünste.

Ob Musiktheoretiker (bis heute) davon fasel(te)n, die Zeit für sogenannte Supergroups sei vorbei und ELP nur noch ein anachronistischer Nachläufer gewesen, Keith Emerson machte weiter, allein oder in wechselnden Formationen.

Im April wollte er auf Tournee gehen. Nun wurde er tot in seinem Haus in Santa Monica gefunden. Keith Emerson, der Pianist der rechten Hand, an der er womöglich dauerhaft erkrankt war, hat sich nach 71 Lebensjahren sehr wahrscheinlich das Leben genommen.

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Der Hendrix an der Hammond

Neue Züricher Zeitung,
12.3.2016, 11:14 Uhr
von ERIC FACON


Keith Emerson, Jahrgang 1944, begann seine Karriere Mitte der 1960er Jahre in London. In einer Zeit, in der in der Rockmusik alles möglich schien, in der alles ausprobiert wurde. «The Nice» hieß die Band, mit der Emerson bekannt wurde. Ein Quartett, das artfremdes Material wie Bachs Brandenburgische Konzerte oder «America» aus Leonard Bernsteins «West Side Story» in den Rock-Kanon überführte. Weltberühmt wurde der junge Keyboarder aber erst im Trio Emerson, Lake & Palmer, in dem das gleiche Rezept noch konsequenter durchgeführt wurde. Man wagte sich an Mussorgsky und Aaron Copland – im Fokus stand dabei fast immer der virtuose Keyboarder.

Betrachtet man heute Archivmaterial mit Live-Auftritten von «ELP», so ist unschwer zu erkennen, warum diese Band damals gefeiert und später (nicht immer zu Recht) auch verteufelt wurde. Keith Emerson war in mehrerlei Hinsicht ein Pionier: Er machte aus der Hammondorgel ein Rock-Instrument, das er mit der gleichen Mischung aus Virtuosität und Showmanship behandelte wie Jimi Hendrix seine Gitarre. Emerson schien in jedem Finger seiner rechten Hand ein Klassikzitat parat zu haben, entlockte seinem Instrument aber auch Dissonanzen. Seine Musik erwies sich so als Amalgam aus Klassik, Rock, jazzigen Anklängen, reichlich Bombast und Lärm, gespielt auf horrendem technischem Niveau. Andrerseits war Emerson – mit seinen häufigen Ausflügen in rockfremde Gefilde – ein Pionier des Progressive Rock, in dem sich Rockmusiker nicht auf dreiminütige Pop-Strukturen reduzieren lassen wollten.

Das Ende von ELP schien von Anfang an absehbar. Zu groß schien der Spagat zwischen den akustischen Songs von Bassist Greg Lake und den elektronischen Ausflügen Keith Emersons, zu groß die Konzerte, zu groß die Bühnenaufbauten, die der Keyboarder brauchte, um seinen großen Sound bei damaligem technischen Möglichkeiten live produzieren zu können. Mit jeder Tournee wuchs der Aufwand, und als das britische Trio mit Symphonieorchester im Rücken durch Nordamerika reiste, wurde die Distanz zum Publikum nochmals grösser. Gleichzeitig besann(?) sich die Punk- und New-Wave-Generation auf die Wurzeln der Rockmusik, auf einfache Strukturen und Harmonien. ELP wurde von diesen „Experten“ als Dinosaurier aus progressiven Zeiten verpönt.

Das Trio aber hat seine bleibenden Momente – etwa das Album „Trilogy“ (1972) auf dem die Balance zwischen folkiger Anmut, rockiger Kraft und klassischer Virtuosität gelingt. Im Zentrum dieses Soundgemäldes steht das Keyboard von Keith Emerson.

In der Nacht zum Freitag, 11. März 2016, starb Keith Emerson 71-jährig in seinem Haus in Santa Monica.

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