Jeff Beck
über Bluesmänner, USA nach dem Krieg, R’n’R und Drogen

Der 66-Jährige sieht extrem gesund aus (er ist Vegetarier), vor allem ist er – „weil mich meine Frau immer schlägt“ – unfassbar schlank.

Willi Winkler: In „Blow Up“ von Michelangelo Antonioni zerschmettern Sie Ihre Gitarre am Verstärker.

Eine Höfner, die haben sie angeliefert. Meine Les Paul hätte ich nie dafür hergegeben. Wir, also die Yardbirds, waren eine ziemlich gewalttätige Band, und Pete Townshend von den Who war dafür bekannt, dass er am Schluss des Konzerts jedes Mal seine Gitarre zerdepperte. Antonioni wollte aber eine echte Underground-Band, und das waren wir.

Wir haben uns Gedanken gemacht, wie die Who es sich leisten konnten, jedes Mal ihr Equipment zu zerdeppern. 

Gibt es nicht Wettstreit, wenn Sie z.B. gerade auf dem Crossroads-Festival auftreten, das Eric Clapton veranstaltet?

Alle müssen immer kategorisieren: Wer spielt das am besten oder das? Wer spielt das am schnellsten, am langsamsten? Was soll das? Mir geht es nicht um den Wettbewerb, wir sind alle Musiker, alle Bluesmänner.

Es gibt beim Blues ein paar Phrasen, die sind Gemeingut, gehören allen. Sonst gibt es hundert Millionen Phrasen. Damit kann man seinen eigenen Stil kreieren. Eric hat ein halbes Dutzend Phrasen, die in allen seinen Solos vorkommen. Mein Stil ist viel – schizophrener, eine Obsession. 

Warum haben Sie alle nach (US)Amerika geschaut?

Was sollten wir in England mit seinen zerbombten Häuser,? Die (US)Amerikaner hatten bessere Klamotten, schönere Autos, sie hatten den Laden um die Ecke, die Subkultur, alles was gut war. Da wollten wir hin. 

Und sie haben den Rock’n’Roll erfunden.

„Rock Around The Clock“, diese Platte ist der Urmeter aller Pop-, Rock-, Bluesmusik, alles muss sich daran messen. Die Band, die Musik, der Swing – alles kommt da zusammen. Allenfalls „Hound Dog“ von Elvis Presley kommt ihm nahe. 

Sind Sie empfindlich, wenn Sie Konkurrenz vermuten?

Ich wusste, dass es ein Problem sein würde, wenn ich nicht singe. Deshalb dachte ich mir melodische Formen aus, weil man nicht ausschließlich Gitarrensolos spielen kann. Das hält kein Mensch aus.

Daltrey und Townshend haben sich immer gestritten, Mick Jagger und Keith Richards genau so, und was ist? Sie sind noch immer zusammen. Warum? Weil sie einander brauchen. Sie sind klug genug zu wissen, dass sie ohne den anderen nicht die Who und nicht die Rolling Stones wären.

Bei mir ist das anders, meine Musik ist eine seltsame Mischung selbergemachter Musik, mit der man keine Stadien vollkriegt. Sie müssen hip genug sein, um die Vergangenheit zu verstehen und zu wissen, was möglicherweise die Zukunft ist. 

Wie viele Gitarren haben Sie auf der Tournee dabei?

Insgesamt fünf oder sechs, aber eigentlich habe ich nur eine, und eine in Reserve. Ich spiele immer mit der gleichen (selben?!). 

Chuck Berry ist immer allein und mit einer einzigen Gitarre auf Tournee gegangen. Bevor er in eine Stadt kam, bestellte er sich junge Musiker zur Begleitung. Die kamen auf die Bühne und mussten ohne vorhergehende Probe mithalten.

Reine Narretei. Wie kann er nur so verächtlich mit den eigenen Sachen und dem Publikum umgehen?

Er hasste die Rolling Stones, weil sie ihm seine Songs gestohlen haben. Stimmt ja auch. Doch auch er kann seine Sachen nicht patentieren lassen. Es sind nicht seine Akkorde. 

Aber er hat die Grundlagen des Rock’n’Roll erfunden.

Nein, das stimmt nicht. Er spielte die zwei Noten unten auf der Gitarre, aber das machte lang vor ihm Babyface Leroy Foster, der Begleiter von Muddy Waters, bei „Rollin’ And Tumblin’“ auf der Basstrommel. 

Warum steht das Publikum in „Blow Up“ beim Konzert der Yardbirds so steif herum?

Das war Antonionis Perspektive der Swinging Sixties, sie waren einfach gebannt, völlig der Musik hingegeben. Da war jeder bekifft, ein Versuchskaninchen für unbekannte Drogen.

Ich habe nichts von dem angefasst, was sich Eric Clapton und Jimmy Page reintaten. Ich habe auch nie viel getrunken. Ich war eher der Beobachter, der Mann, der am Rand stand und sich ansah, wie ein Raum voller Menschen im Verlauf einer Nacht total degenerierte. Wie dumm Leute sein konnten!

Irgendwann wurde es mir zu viel, und ich bin aufs Land gezogen. 

Der britische Landedelmann.

Ja, es klingt spießig, aber darum bin ich auch noch am Leben.


Das ist ein Auszug aus dem Artikel: 

Jeff Beck über Gitarren
Von Willi Winkler
Süddeutsche Zeitung, Wochenende, Interview, Sa/So 10./11. Juli 2010


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