Elektro-Pop, gesellschaftlich relevant?

Mächtige Leere
Justice“ brutalisierte die elektronische Musik.
Jetzt versuchen sie sich am Stadionrock

Von Alexis Waltz
in Süddeutsche Zeitung, 1. Dezember 2011


- Auszug  aus dem Artikel

- Karlheinz sagt dazu


Auszug aus dem Artikel
von Alexis Waltz:

Das Pariser Elektro-Pop-Duo Justice... Gaspard Augé und Xavier de Rosnay... sind  abgebrühter und realistischer als jede Rockband, die dafür gefeiert wird, ganz bei sich zu sein. Justice sehen sich eher als Boygroup denn als Band, es kommt mehr auf „KLUGE“ KONZEPTUELLE ENTSCHEIDUNGEN an, als auf individuellen Ausdruck.

Mit dem Kreuzzeichen („†“) als Titel des Debüt-Albums... entwickelte das Duo eine MYTHOLOGIE(??), die völlig unerklärt bleibt und allein mit dem lapidaren Satz „80 Prozent aller Franzosen sind Christen“ kommentiert wird...

... das KONZEPT gerät zur überraschend ehrlichen REFLEXION(??) über die Unterschiede zwischen der eigenen Musikpraxis als gereifte Bedroom-Producer und dem arbeitsteiligen Produktionsmodus einer großen Band der siebziger Jahre, die Armeen versiertester Ton-Spezialisten im Rücken hatte.

Mit anderen Worten: Es gab eine Zeit, in der die Rockmusik gebraucht wurde, weil sie sehr wirksam von der Möglichkeit eines anderen, besseren Lebens erzählen konnte. Diese Zeit ist vorbei. Mit den Aporien (Rat-, Ausweglosigkeiten?) und Absurditäten (Wieder-, Unsinnigkeiten?) des Rock nach dem Ende seiner gesellschaftlichen Notwendigkeit setzt sich niemand so schonungslos auseinander wie diese beiden Franzosen.


Karlheinz sagt dazu:

Ganz richtig, Alexis Waltz, Schlafzimmer-Produzenten 2.0 wie Justice könnten die Zusammenarbeit mit kompetenten Tontechnikern wahrlich gut gebrauchen.

Bei derart musikalisch hochkarätigen Anfängen elektronischer Musik, wie der von

Kraftwerk, "Autobahn":

Jean Michel Jarre, "Equinox 5":

Michael Rother, "Flammende Herzen":

La Düsseldorf, "Silver Cloud":

... und vielen anderen ist es ein Jammer, in weiten Teilen uninspiriertes und ebenso wenig inspirierendes, armselig tumbes Gestampfe, nervend wie Baulärm von diesen selbsternannten Nachahmern 2011 zu hören.

Noch beeindruckender kommt die dreiste Hartnäckigkeit ihrer Lobby-„Kritiker“ daher, die das Klauen von Melodie-Schnipseln und Klängen, deren serigraphische Aneinanderreihung bis zum Reiern, offenbar unbeeindruckt von verstandesmäßigen Zweifeln, flankierend mit (metaphysischer?) Bedeutung aufblasen.

Einer Modeerscheinung derart lange hinterher zu laufen bzw. apologetisch hinterher zu schreiben („Mythologie“, „Reflexion“...), zeugt doch von einiger Kritiklosigkeit (eigenen?) pubertären Launen gegenüber, um nicht zu sagen von einer kapital ausgewachsenen Trotzphase.

Wer meint, der Rockmusik sei die „gesellschaftliche Notwendigkeit“ abhandengekommen, die nun dem „Elektro-Pop“ gehöre, der hat noch nicht begriffen, dass es immer nur um GUTE MUSIK geht. „Notwendige“ Musik, Musik, die man „braucht“, gibt es nicht.

Ein Stück weniger bekannter, dennoch guter Rockmusik ist zum Beispiel das folgende,

“Apocalyptic Bore” von Amon Düül II:

In diesem Sinne, Alexis Waltz, hören Sie mal wieder gute Musik. Hören Sie Musik von Amon Düül II. Verschwenden Sie keine Zeit mehr auf TechNO.

Ein friedliches Weihnachtsfest und Gesundheit im Neuen Jahr 2012 - immerhin, ein paar Prozent Deutsche Menschen sind ja noch immer Christen - wünscht Ihnen

Karlheinz Damerow


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