E-Democracy oder E-Bolschewismus?

Lernbereitschaft duckt sich unter den kleinsten gemeinsamen Nenner?

... Das Unterfutter der Netz-Utopie bildet... ein tief empfundener Egalitarismus, der nicht duldet, dass es etwas anderes als Meinungen, womöglich sogar gültige Urteile geben kann.

Dieses Ideal einer unendlichen und unendlich diffus bleibenden Diskussion wäre zwar noch immer kein demokratisches, aber doch harmloses, wenn sich nicht der Eindruck aufdrängte, am Ende werde die kommerzielle Währung des Internets, die Klickrate, auch für ein denkbares Abstimmungsverfahren in geistigen Auseinandersetzungen gehalten. In der Theoriebildung der Netzenthusiasten scheint sich das Ideal der Ladenkasse festgesetzt zu haben: Die Güte eines Produktes erkennt man nicht an seinen Eigenschaften, sondern an der Zahl der Käufer...

Intellektuelle! Ein schlimmeres Wort hätte niemand in die Internetforen einspeisen können. Im Kern des Netzfanatismus steckt... ein egalitärer Relativismus, der kein Mehr- oder Besserwissen dulden kann...

Freilich... Der lerneifrige Dialog gehört zu den schönsten Möglichkeiten, die das Internet bietet... Indes... Die viel gerühmte Schwarm-Intelligenz erweist sich als Schwarm-Dummheit. Denn es ist kaum denkbar, dass ein wissbegieriger Einzelner sich gekränkt fühlte durch das Wissen, dass ihm jemand zugänglich macht. Er kann sich nur geniert fühlen, wenn er argwöhnen muss, das ihm dabei jemand abschätzig zusieht. Die kollektive Aufsicht, die das Netz bei seinen immer öffentlichen Diskussionen herstellt, beweist hier ihre fatale Wirkung.

Mit anderen Worten: Das Internet, bevor es großmäulig von E-Democracy redet, muss erst einmal eine angstfreie Gesellschaft in seinen Räumen erlauben, in der nicht jeder, aus Furcht vor seinem missgünstigen Nachbarn, sich unter den kleinsten gemeinsamen Nenner duckt. Oder noch einmal anders gesagt: Es steht außer Frage, dass im Netz ein bedeutender Beitrag zur Demokratie geleistet werden kann. Aber die gegenwärtigen sozialen Umgangsformen verraten keine Tendenz zur E-Democracy, sondern eher zum E-Bolschewismus.

Exzerpt von Karlheinz


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Das Netz trügt
Im Internet ist vieles möglich. Nur mit Demokratie sollten wir es nicht verwechseln. Zur Debatte um Adam Soboczynskis Netzkritik
Von Jens Jessen
DIE ZEIT, 2009-06-04


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