Brian Wilson

„...'Neuere' Musik zu hören hab ich versucht. Ich mochte sie nicht. Ich hab’s noch mal versucht, mochte sie immer noch nicht. Hat mich nicht berührt. ...“

Exzerpt eines Artikels von Alexander Menden


… Da sitzt Brian Wilson, zusammengesunken, starrt und wartet auf den Beginn des vereinbarten Interviews. Bei ihm ist Jeff Foskett, seit Jahren Wilsons Bandleader, der sich den Surf-Guitar-Stil von Carl Wilson ebenso perfekt angeeignet hat, wie die Stimmlage des jüngeren Brian.

Foskett ist der einzige Beschützer dieses rundrückigen alten Mannes mit dem zerfurchten, ausdruckslosen Kindergesicht - der Hüter einer Legende.

Brian Wilson war lange verschwunden nach seinen Zusammenbrüchen während der gescheiterten Aufnahmen für das Album „Smile“ (1966-67). Wilson und der Produzent Van Dyke Parks hatten damals die Beatles herausfordern wollen.

Nach dem „Pet Sounds“-Album der Beach Boys und „Revolver“ der Beatles im Jahr zuvor, war doch die Frage, wer den Status als Genie des  Pop haben sollte, keineswegs entschieden.

1988 tauchte Wilson wieder auf. Über „Smile“ zu sprechen, das nun nach mehr als 40 Jahren im Safe doch veröffentlicht wird, ist immer noch schwierig für ihn: „Es ruft nämlich ein paar schlimme Drogen-Erinnerungen wach“. An die Aufnahmen selbst erinnert er sich zwar, den mentalen Zusammenbruch aber, den er nach den Aufnahmen erlitten hat, schiebt er noch immer beiseite.

Wie er darauf kam, „Smile“ eine Teenager-Symphonie für Gott“ zu nennen? „Ich fand es passend. Es ist jugendliche Musik.“

Das wenige, das Brian Wilson sagt, nuschelt er monoton aus dem Mundwinkel. Aber schwierig ist er nicht. Brian Wilson ist ein Gezeichneter. Seit seiner Kindheit ist er taub auf dem rechten Ohr, ein Souvenir der Prügel, die er regelmäßig von seinem Vater bezog.

Der unglaubliche kreative Ausstoß der sechziger Jahre – neun Beach-Boys-Alben und 16 Singles zwischen 1963 und 1965 – mündete im kompletten Zusammenbruch: „Smile“ verlangte ihm mehr ab, als sein Hirn – befeuert und zu Grunde gerichtet von Unmengen LSD – aushielt. Er versank in klinischer Depression, unterbrochen von Panikattacken.

Jahrelang verließ er sein Schlafzimmer nur selten. Er begann, Stimmen zu hören – er hört sie noch immer -, nahm Kokain und Heroin. Erst seine zweite Frau Melinda half ihm aus diesem  Tief heraus.

Im Jahr 2004 veröffentlichte er ein Soloalbum mit dem Titel „Smile“, auf dem er viel von seinem ursprünglichen Material verarbeitete. Die erste Version und die von 2004 sind für ihn zwei verschiedene Sachen.

„Wenn man Songs oft live spielt, verändern sie sich nicht, sie werden nur besser“. Ob dann die Version von 2004 musikalisch besser sei als das Original, kann er aber nicht beantworten.

Die zerstückelten Original-Aufnahmen zu hören, erinnert ihn an die Drogen und daran, wie high er sich damals gefühlt habe.

Nur wenige Künstler lösen einen solchen Fanatismus aus wie Brian Wilson. Die quasi-religiöse Verehrung der Beach-Boys durch ihre Fans und die Feier von Wilsons leidlicher Genesung als eine Art Auferstehung des für viele größten Songschreibers aller Zeiten ist verblüffend.

Viele in den USA halten „Pet Sounds“ für besser als „Sgt. Pepper’s“. Auf die Frage nach dem Grund für dieses Phänomen, fragt Brian Wilson selber: „Warum ist das wohl so, was denken Sie?“.

Wahrscheinlich, weil diese Leute Sie für ein Genie halten. „Ich weiß auch nicht“. Sind Sie ein Genie? „Nein.“ – "Er ist einfach ein fleißiger Arbeiter“, ruft Jeff Foskett aus dem  Hintergrund.

Date: 16.05.1966
Pet Sounds
1 Wouldn't It Be Nice
2 You Still Believe In Me
3 That's Not Me
4 Don't Talk (Put Your Head On My Shoulder)
5 I'm Waiting For The Day
6 Sloop John B
7 God Only Knows
8 I Know There's An Answer
9 Here Today
10 I Just Wasn't Made For These Times
11 Caroline, No

Hier geht's zu den Texten.

Hört Wilson neuere Musik? „Ich hab es versucht. Ich mochte sie nicht. Ich hab’s noch mal versucht, mochte sie immer noch nicht. Hat mich nicht berührt.“ (Komisch, geht mir nicht selten auch so! K)


(Toller Bass, thank you Brian! K)

Hat er noch Freunde im Musikbusiness? „John Lennon und Paul McCartney sind meine Freunde.“ Spricht er noch manchmal mit Paul McCartney? „Ja, ich rufe ihn an“. Tourt der nicht gerade? „Keine Ahnung. Tourt Paul McCartney gerade?“ – „Ich frag‘ ihn schnell mal“, sagt Foskett und hebt das Handy ans Ohr. Ein Scherz.

Soll nicht demnächst ein Film über die Beach Boys gedreht werden, Produzent Bill Pohland, der zuletzt für Terrence Malicks  „The Tree Of Life“  verantwortlich zeichnete? „Ich weiß nicht“, sagt Brian Wilson. „Ja, er wird gedreht“, Jeff Foskett, „ich spiele selber alle Wilson-Brüder und Mike Love. Finden Sie, dass das passt?“ Noch ein Scherz.

Brian Wilson streckt die Hand aus: „Danke Ihnen für das Interview.“ Es mag Einbildung sein, aber für einen Augenblick sieht es so aus, als ob er lächelt.


Wer den vollständigen Artikel lesen möchte gehe zu:

Fluch des Lächelns
Vor 45 Jahren scheiterte Brian Wilson an den Aufnahmen für das Beach-Boys-Album „Smile“ –
Begegnung mit einem Gezeichneten

Interview von Alexander Menden
Süddeutsche Zeitung, 28. 10. 2011


Siehe auch ein Brian Wilson-Portrait auf arte: [



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